Ein paar Gedanken zum Thema Kindertagespflege

Themen dieses Artikels sind:

  •       Der steinige Weg von“ Hä, was machen Sie ?“ bis zu einem anerkannten Beruf.
  •       Neues Modell- neue Hoffnung. Kindertagespflege auf der Zielgeraden?
  •       Ein Interview  mit  Herrn Heiko Krause, dem Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege 
  •       Ein Interview mit Frau Heide Pusch, der Geschäftsführerin des Landesverbandes Kindertagespflege Baden-Württemberg 

 

 Kennen Sie das auch? Die Fragen nach Ihrem Beruf und dann die Reaktionen auf Ihre Antwort?

„Hä? Kindertagespflege? Was machen Sie da? Sind sie so etwas wie eine Krankenschwester für Kinder?“. 

Oder wenn Sie Glück haben: „Ah ja!  Also einfach Erzieherin- Sie arbeiten doch im Kindergarten?“
Kindertagespflege?!
Nanny, Babysitter, Tagesmutter- das, ja.
Aber Kindertagespflege?... Nichts gegen die Bezeichnung „Tagesmutter“! Aber…
Kaum einer weißt was Kindertagespflege wirklich heißt, nur wenigen  halten es für einen richtigen, und die Allerwenigsten für einen anspruchsvollen Beruf. Warum ist das so?
Dem wollte ich auf die Spur gehen und so machte ich mich auf den Weg.
Zuerst befragte ich wildfremde Menschen auf den Straßen und bohrte im Bekanntenkreis nach.

Das Fazit:
Die meisten Menschen haben entweder keine oder eine falsche Vorstellung von dieser Tätigkeit.
„Ein wenig mit Kindern spielen… Und das bei sich zu Hause?“, das ist doch kein Beruf!
Einige haben zwar schon etwas darüber aus dem Fernseher oder aus der Presse mitbekommen, doch die längst veraltete Vorstellung von einer älteren Dame die sich ihre Rente, oder einer jungen Mutter, die während der Elternzeit die Haushaltskasse ein wenig aufbessern möchten, hält sich immer noch sehr hartnäckig in den Köpfen der Bevölkerung.
Erst wenn man selber ein Kind bekommt und nach einer Betreuung sucht, wird man mit dem Begriff konfrontiert und lernt einige Kindertagespflegepersonen kennen.

Die meisten sind engagiert, gut gelaunt und gehen in ihrem Beruf wirklich auf.
Aber das ist nur die eine Seite.
Auf der anderen sind sie oft verunsichert und deprimiert. Ärger macht sich breit. Warum? Nicht unbedingt wegen der Unwissenheit der Menschen. Vielmehr weil ihre berufliche Tätigkeit seitens der zuständigen Institutionen keine besondere Anerkennung bekommt.


Das wird deutlich, wenn wir uns die Kindertagespflege im Spiegel der Bundesrepublik ansehen.
Eine solche Heterogenität wie sie in der Kindertagespflege festzustellen ist, sieht man in kaum einem anderen Berufsfeld. Nicht genug, dass es keine Einheit zwischen den Bundesländern gibt, entwerfen auch noch die Kommunen oder die Landkreise eigene Vorgehensweisen, die oft nicht unterschiedlicher sein könnten. Es ist kaum ein Bereich festzumachen, in dem bundesweite Einigung herrscht und die Ausgestaltung der laufenden Geldleistung ist ein Paradebeispiel dafür, wie man eine nicht leistungsgerechte Vergütung verschleiern kann.
Das eigentlich bundesweit gesetzlich festgelegte  Wunsch-, und Wahlrecht der Eltern in Bezug auf die Art der Betreuung  (Kindergarten, Kita oder Kindertagespflege), wird in vielen Landkreisen entweder komplett ignoriert oder frei interpretiert  und im unterschiedlichen Maße umgesetzt.
Gar Eltern, deren Kinder aufgrund von z.B. Entwicklungsverzögerungen den Kindergartenalltag nicht meistern konnten und die jetzt deswegen auf die Tagespflege zurückgreifen wollen, wird diese verweigert,  mit der Begründung dass, "das Wunsch-, und Wahlrecht nur für die Unterdreijährigen gilt."
Ich habe mir die beiden Absätze 1 und 2 im §5 SGBVIII mehrmals durgelesen.
Eine Altersbeschränkung fand ich darin aber nicht!
Auch die Art wie die Elternbeiträge berechnet werden ist undurchschaubar und richtet sich nach keinen festen Vorgaben. Das führt oft zu gerade mal paradoxen Situationen. Tagespflegepersonen, die Kinder aus verschieden Bezirken betreuen, werden für die gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt und die Eltern mit ungleich hohen Beiträgen zu Kasse gebeten. Nicht selten zahlen gerade die örtlichen Jugendhilfeträger, die den Eltern höhere Beiträge abverlangen, deutlich niedrigere Vergütung an die Tagespflegepersonen weiter. Unverständnis, Ärger und Unzufriedenheit sind die Folge.
Im Großen und Ganzen hat dieser Beruf kein besonders gutes und würdiges Ansehen und man bekommt fast den Eindruck, dass diese Unüberschaubarkeit „strategisch“ gewollt ist.
Die Hauptursache dafür ist, meines Erachtens, in der Politik und bei den zuständigen Institutionen und Behörden zu finden. Denn so lange hier keine Einigung über den Status, die leistungsgerechte Vergütung, die notwendige Bildung etc. getroffen und in die Praxis umgesetzt wird, solange können die Tagespflegepersonen auch keine Anerkennung seitens der Bevölkerung erwarten. Doch gerade hier scheint es ein großes Desinteresse an der Aufpolierung des Images dieser Berufsgruppe zu geben.
Es sind zwar in den letzten Jahren immer wieder neue Entwürfe vorgestellt worden, aber nennenswerte Verbesserungen in den Alltag der Tagespflegepersonen und in die Gesamtsituation brachten sie meines Empfindens nicht.


Als ich also vor kurzem fast schon zufällig erfuhr, dass ein neues, wirklich viel versprechendes Modell von dem Bundesverband für Kindertagespflege entwickelt wurde, bin ich neugierig geworden.
Jetzt wollte ich es wirklich wissen!
Denn wie sagt man doch so schön?- Alles Gute kommt von Oben. Wirklich?
Und vor allem: Schafft dieses es auch bis in die unteren Etagen zu den Tagespflegepersonen?

Um das zu erfahren schrieb ich den Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für die Kindertagespflege, Herr Heiko Krause an, und bat ihn um ein Interview. Als nächstes rief ich wegen gleichen Anliegens die Geschäftsführerin des Landesverbandes Baden- Württembergs, Frau Heide Pusch an. Erstens lebe ich hier und zweitens gelten eben dieser Landesverband und damit auch das Bundesland als beispielhaft im Spiegel der Bundesrepublik. Wobei leider auch hier einige „Schwarze Schafe“ vertreten sind, die sich die Freiheit rausnehmen die Empfehlungen des Verbandes zu ignorieren oder frei zu interpretieren.

Ich wollte erfahren, wieso es keine Transparenz in der Ausgestaltung der Kindertagespflege gibt und warum eine so wichtige und verantwortungsvolle Arbeit, wie die, die die Tagespflegepersonen leisten, nicht mit einer adäquaten Vergütung entlohnt wird. Man muss sich nur von Augen halten, dass vielerorts die Vergütung der Betreuungsstunde immer noch unten 3€ liegt. Aber auch dort wo sie mit 5,50€ vergütet wird, können wir keinesfalls von einem leistungsorientiertem Lohn sprechen. Denn, was nicht zu vergessen ist, gelten die Tagespflegepersonen als selbständig Tätige. Das heißt, in diesem Betrag sind nicht nur die direkte Arbeit am Kind, sondern unter anderem auch alle Betriebsausgaben und  Versicherungen inbegriffen. Die mittelbare Arbeit, also Eltern Gespräche,
Vor- und Nachbereitung, Weiterbildung etc. werden gar nicht vergütet. Da ändert es auch nicht viel, dass manche Versicherungen (Kranken-, und Rentenversicherung) unter Umständen maximal zur Hälfte erstattet werden. Denn am Ende, nachdem man den mickrigen Gewinn ermittelt hat, er noch versteuert werden muss.
Sind sie gut im Rechnen? Was glauben sie, was unterm Strich bleibt?
Für die meisten Tagespflegepersonen liegt der Mindestlohn in weiter Ferne. Und das bei dieser Verantwortung und vollem Einsatz.
Und wenn sie denken, dass wenigstens eine anspruchsvolle Aus-, und Weiterbildung klar geregelt sind… Falsch gedacht!
Na ja! Es geht ja „nur“ um unser wichtigstes „Gut“- nämlich die Kinder!

 

Zu meiner großen Überraschung und Freude, erwiesen sich sowohl Frau Pusch wie auch Herr Krause sehr entgegenkommend, kooperativ und bereit sich auf ein Interview mit mir einzulassen. Vielen herzlichen Dank dafür.

Ich konnte deutlich spüren, wie wichtig die Anliegen der Tagespflegepersonen für diese beiden Menschen und die Institutionen, die sie vertreten, sind.
Während der Gespräche erfuhr ich welche politischen Regelungen eine einheitliche Ausgestaltung der Kindertagespflege praktisch unmöglich machen und die Durchsetzung einer transparenten Vergütung sowie einer anspruchsvollen, Qualitätsorientierten Aus-, und Weiterbildung erschweren. Wir sprachen über die Möglichkeiten, auf die die Kindertagespflegepersonen bei Durchsetzung ihrer Rechte zurückgreifen können, über das neue Modell, das dem Großteil der Problematik entgegen wirken könnte und schließlich über die Zukunft der Kindertagespflege.

Mein Fazit?
Es ist und leider bleibt es noch für eine Weile ein steiniger Weg bis zum gewünschten Ergebnis.
Aber, und das ist im Moment entscheidend, befindet sich die Kindertagespflege bereits auf dem Weg. Und sie kriegt eine Menge Unterstützung seitens z.B. der beiden oben genannten Verbände.

Jetzt liegt es auch an den Tagespflegepersonen selbst, sich Gehör zu verschaffen.
Es wäre vielleicht vom Vorteil sich auch überregional zu organisieren und Soziale Netzwerke zu bilden, um der eigenen Stimme mehr Gewicht zu geben und sich ganz oben in dem politischen Raum Geltung zu verschaffen.
Nicht zu unterschätzen sind an dieser Stelle auch die Stimmen der Eltern. Es geht nämlich um eine qualitativ hochwertige, individuelle Betreuung für Ihre Kinder, wie sie die Kita mit teilweise sehr großen Gruppen nicht bieten kann; um die Durchsetzung ihres Wunsch-, und Wahlrechtes und nicht zuletzt um ihr Geld.
Deswegen sollten auch die Eltern an diesen Netzwerken mit angeschlossen werden und eine Stimme bekommen.
Wir brauchen jetzt eine starke Organisation, die sowohl die Interessen der Tagespflegepersonen wie auch der Eltern überall dort vertritt, wo  Einzelpersonen bzw. Einzelfälle sonst keine Chance auf Erfolg haben.
Nur zusammen können wir etwas bewegen und vereint sind wir stark!

 

Im Anschluss an meinen Artikel veröffentliche ich die bereits angesprochenen Interviews. Diese können Sie sich durchlesen und somit Ihre eigene Meinung zu diesem Thema bilden.
Kommentare und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht.

 

Zuletzt möchte ich ihnen noch meine Ohren und meine Zeit anbieten: für Ihre Fragen, Ihre Ideen, vielleicht auch für aufmerksam machen auf besonders problemreiche Bezirke, in denen „nachhacken“ gewünscht wäre. Ich mache mich gerne mit Ihnen zusammen auf die „Reise“ zu mehr Gerechtigkeit und Transparenz in der Kindertagespflege.

 

Falls Ihnen dieser Artikel gefällt und Sie ihn für hilfreich halten, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie diesen teilen könnten.

 

Vielen Dank für Ihre Zeit.

 

Eure Maggie Kasprowsky

 

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Interview mit Herrn Heiko Krause, dem Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege.

 

M. Kasprowsky:

Die Kindertagespflege bietet bundesweit ein recht uneinheitliches und unüberschaubares Bild. Die letztliche Verantwortung und das endgültige Entscheidungsrecht werden den örtlichen Jugendhilfeträgern überlassen, die, meiner Meinung nach, der Aufgabe nicht immer gewachsen sind.  Es scheint fast so, als ob keine Instanz auf der Bundesebene, die alleinige bzw. die Hauptverantwortung für die Kindertagespflege übernehmen wolle.

Wieso überlässt man den Jugendämtern die alleinige Entscheidungsfreiheit zur Ausgestaltung der Tagespflege und der Vergütung, ohne ihre Beschlüsse regelmäßig zu prüfen?

H. Krause:

Weil laut Grundgesetz die Ausgestaltung der Kindertagespflege im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer liegt, die sie dann weiter an die jeweiligen Kommunen und  örtlichen Jugendhilfeträger geben. Ich bin auch nicht immer begeistert davon, wir haben uns z.B. für ein Bundesqualitätsgesetz ausgesprochen. Die Zuständigkeitsregelung  kann man gut oder schlecht finden, aber das ist nun mal die föderale Ordnung der Bundesrepublik. Und es ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Jahren eine Mehrheit dafür zustande käme, es auf der Bundesebene einheitlich zu regeln.

M. Kasprowsky:

Wie ich erfahren habe, ist das neue Modell für die Ausgestaltung der laufenden Geldleistungen, das eben dieser Problematik entgegenwirkt, und für Transparenz, Homogenität und Leistungsgerechte Vergütung sorgen würde, bereits fertig erarbeitet.
Wann wird es den Bundesländern vorgestellt werden?

H. Krause:

Es ist bereits in zwei Länderkonferenzen vorgestellt und auch in der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes am 29./30. April diesen Jahres verabschiedet worden.

M. Kasprowsky:

Wann haben die Kindertagespflegepersonen mit den Auswirkungen dieses neuen Modells zu rechnen?

H. Krause:

Nur weil wir ein Modell entwickeln und als Bundesverband beschließen, hat dies noch keinerlei Auswirkung auf das, was die Jugendämter tun. Wir sind keine Institution, die etwas verordnen könnte. Unsere Aufgabe ist jetzt, für dieses Modell zu werben. Wir sind zurzeit dabei, den Beschluss in eine Broschüre umzusetzen. Dazu wird es dann einen Flyer geben, der das Modell einfach erklärt. Im Anschluss folgen typische Fragen, wie sie bei unterschiedlichen Interessengruppen, wie den  Kommunen, den Tagespflegepersonen,  den Jugendämtern oder den Eltern auftreten. Erst danach kommt es auf die Homepage und wird an die Jugendämter verschickt. Das hat aber nicht sofort eine Auswirkung. Wir haben keine Möglichkeit, ein Jugendamt dazu zu zwingen, dieses Modell anzuwenden.

M. Kasprowsky:

Also bleibt alles beim Alten und die Entscheidungsfreiheit wird den Jugendämtern überlassen?

H. Krause:

Was heißt überlassen? Laut Grundgesetz ist die Verteilung nun mal so, dass die Jugendämter für die Satzungen und für die Vergütung verantwortlich sind.
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können natürlich, und das würde uns sehr freuen, dieses Modell anwenden. Dafür werben wir.

M. Kasprowsky:

Glauben Sie, dass es irgendwann in der absehbaren Zukunft ein bundesweit praktizierendes einheitliches Modell geben wird?

H. Krause:

Ich glaube, dass es das innerhalb der nächsten zehn Jahren nicht geben wird. Das finde ich auch nicht tragisch, denn es gibt ja durchaus regionale Unterschiede. Dazu gehören z.B. Miet-, und Unterhaltungskosten oder die Zahl der gesetzlichen Feiertage.  Insoweit ist eine völlig einheitliche Finanzierung der Förderung der laufenden Geldleistung und der Sachkosten meiner Meinung nach, zurzeit nicht möglich. Die Frage ist vielmehr, wie verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Tagespflegepersonen insgesamt. Ein Teil unseres Modells ist, uns erstmal zu verdeutlichen, welche Tätigkeitsmerkmale eine Tagespflegeperson ausübt, die bis jetzt überhaupt nicht vergütet werden. Da gibt es z.B. die Elterngespräche, die Dokumentation, die Vor-, und Nacharbeit. Wir nennen das die „mittelbare“ Arbeit am Kind. Die müssten eigentlich, so wie das auch bei Erzieher/innen der Fall ist, als Teil des Gehaltes  mitberechnet und vergütet werden. Wir müssen endlich von der Intransparenz der Berechnung wegkommen. Wir sehen in Gerichtsurteilen der letzten Jahre, das Tagespflegepersonen gegen die laufende Geldleistung oder die Sachkostenpauschale geklagt und häufig Recht bekommen haben, weil die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht nachweisen konnten, auf welcher Basis die Berechnung erfolgte. Deswegen brauchen wir klare Berechnungsgrundlagen, die zwar in einzelnem voneinander abweichen können, aber transparent und vergleichbar sein müssen. Und das sind Elemente des neuen Modells. Insofern wäre ich schon froh, wenn sich die Kommunen darauf einlassen würden, mit unserem Modell einmal zu arbeiten und es auf die regionalen, durchaus unterschiedlichen Bedürfnisse anzuwenden.

M. Kasprowsky:

Das andere, oft beklagte Problem liegt in der Ungleichbehandlung der Kindertagespflege und der  KiTa. Obwohl die beiden Betreuungsformen  gesetzlich als gleichberechtigt anzusehen sind, sieht die Realität oft anders aus. Die Eltern werden nicht selten praktisch gezwungen, ihre Kinder in die KiTa zu geben. Und das mittlerweile sowohl im Ü3 wie auch im U3 Bereich.
Was wird getan, um dieser Situation entgegen zu wirken und wie können sich die betroffenen Eltern dagegen wehren?

H. Krause:

Das Bild ist auch hier sehr unterschiedlich. Es gibt Kommunen  in denen die Kindertagespflege und die KiTa gleichberechtigt angesehen und vermittelt werden. Es gibt aber auch die Fälle, die sie schildern. Wir müssen die Eltern im Hinblick auf ihr Wunsch- und Wahlrecht sensibilisieren und sie ermutigen, von diesem Gebrauch zu machen.  Wenn die Eltern der Meinung sind, dass die Kindertagespflege für ihr Kind das bessere Modell ist, dann müssen sie selbstbewusst und souverän auftreten und ihr Recht verteidigen.

M. Kasprowsky:

Auch die Tagespflegepersonen haben nicht selten mit Ungerechtigkeiten und unfairer Behandlung, z.B. seitens der öffentlichen Jugendhilfeträger, zu tun. Wie können sie sich und ihr Recht verteidigen?

H. Krause:

Zum Ersten ist es immer sinnvoll, sich selbst zu organisieren und z.B. einen Verein zu gründen. Vereinsarbeit ist zwar anstrengend und erfordert einige Kenntnisse, die man sich oft selbst in Gesprächen mit Anwälten, Steuerberatern, Fachkollegen oder Experten aus den verschiedenen Bereichen der Tagespflege aneignen muss, aber sie erreichen damit mehr Ansehen und ihre Stimme mehr Gewicht. Wichtig ist es, sich regelmäßig zu informieren, denn neue gesetzliche Regelungen erreichen nicht sofort die Fachberatungsstellen. Oft reicht es dann, mit einem Brief auf die Rechtslage hinzuweisen.
In manchen Bundesländern, so auch in Baden-Württemberg, gibt es sehr starke Landesverbände, die den Kindertagespflegepersonen zur Seite stehen. Leider gibt es noch viele Regionen und Städte, in denen solche Unterstützung fehlt.
Auch wir im Bundesverband versuchen, solche Vereine zu unterstützen, in dem wir unter anderem Schulungen zu Steuerrecht, Satzungsrecht oder Rhetorik anbieten.
Die allerletzte Möglichkeit, sich zu Wehr zu setzen, wäre dann der Weg vor Gericht.
Grundsätzlich ist aber zu betonen, dass wir uns immer um gute Zusammenarbeit zwischen der Fachberatung und den Tagespflegepersonen bemühen sollen. Nur so können wir die Deckung des Bedarfs und eine qualitativ hochwertige Kindertagespflege gewährleisten.
Wir müssen unbedingt davon wegkommen, den anderen als Konkurrenten anzusehen!

M. Kasprowsky:                                

                        Ich bedanke mich für das sehr interessante und informative Gespräch und hoffe, dass vieles aus dem neuen Modell zum                                     Wohle der Kindertagespflegepersonen, der Kinder und der Eltern in ganz Deutschland, in die Praxis umgesetzt wird.

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Interview mit Frau Heide Pusch, der Geschäftsführerin des Landesverbandes für Kindertagespflege Baden-Württemberg.

 

 M. Kasprowsky:  

                             Die Kindertagespflege ergibt nicht nur im Spiegel der Bundesrepublik sondern auch innerhalb der Bundesländer ein                                            recht uneinheitliches und unüberschaubares Bild. Dies führt zu großer Unzufriedenheit oder gar Ärgernissen bei den                                            Kindertagespflegepersonen. Einer der Gründe dafür ist meiner Meinung nach, dass die letztendliche Entscheidungen zur                                  Ausgestaltung der Kindertagespflege, den örtlichen Jugendhilfeträgern überlassen wird.

             
Wieso überlässt man den Jugendämtern so viel Entscheidungsfreiheit, ohne diese regelmäßig unter die Lupe zu nehmen?

H. Pusch:           
Dies ist über das SGB8- Gesetz und das Landesrecht geregelt, das besagt, dass die örtlichen Jugendhilfeträger für die praktische Umsetzung verantwortlich seien.
Grundsätzlich gilt hier das Konnexitätsgebot, was so viel heißt wie: Wo ein Land ein Qualitätsgesetz für die Kindertagespflege erlässt, muss es auch die Auswirkungen finanzieren. Deswegen ist es natürlich eine Herausforderung, alle Parteien dazu zu bewegen, sich auf ein einheitliches Qualitätsgesetz zu einigen. Trotzdem gibt es in Baden- Württemberg schon Standards, die auch landesweit gelten. Zum Teil werden diese über die landesweiten Empfehlungen geregelt, die auch verbindlich sind, oder zumindest einen sehr hohen, verbindlichen Charakter haben und z.T. auch vor Gericht bestand haben (z.B. bei der laufenden Geldleistung).

M. Kasprowsky:              
Nichts desto Trotz, nehmen sich einige Jugendämter die Freiheit diese Empfehlungen frei zu interpretieren, sie umzuwandeln oder gar zu ignorieren und z.B. die empfohlene Vergütung zu kürzen.

H. Pusch:
Die kommunale Selbstverwaltung der örtlichen Jugendhilfeträger gibt die Möglichkeit zu Gestaltung der Kindertagespflege.
Wir stellen jedoch fest, dass es in Baden-Württemberg trotz eindeutiger gesetzlichen Regelungen immer mal wieder Unterschiede darüber gibt, wie diese eingehalten werden. Wird ein Recht nicht eingehalten, muss man es einklagen. Deswegen ist es so wichtig eine Interessenvertretung zu haben, die die Verhandlung für die Kindertagespflegepersonen gesammelt machen. Sie haben dann ein ganz anderes Gewicht, eine Stimme und ganz andere Möglichkeiten  Informationen zu verteilen und sich zu vernetzen. Darüber hinaus, haben sie über das SGB8- Gesetz einen Anspruch, dass das Jugendamt mit ihnen zusammenarbeiten muss.  Als ein Verein könnten sie sich dem Landesverband anschließen, das noch mehr Möglichkeiten hat in ihrem Interesse zu handeln. Das ist die beste Möglichkeit. Die andere wäre, eine gute Rechtsschutzversicherung abzuschließen und überall dort wo die Verwaltung nicht rechtkonform agiert Widerspruch einzulegen oder eine Klage einzureichen.

 

M. Kasprowsky:              
Im April diesen Jahres verabschiedete der Bundesverband für die Kindertagespflege ein neues Modell zur Ausgestaltung der laufenden Geldleistung. Wie gedenkt man es in Baden-Württemberg umzusetzen?

H. Pusch:           
Der Landesverband verhandelt zurzeit die Erhöhung der laufenden Geldleistung. Wir gehen von 7,50€ pro Kind pro Stunde, sowie einem Zuschlag für besondere Betreuungszeiten, z.B. am Wochenenden, aus. Wenn wir von 4 bis 5 zu betreuenden Kindern ausgehen, kommen wir der Empfehlung des Bundesverbandes ziemlich nah. Wir haben auch das Land Baden-Württemberg aufgefordert, die Kommunen dabei zu unterstützen die laufende Geldleistung zu erhöhen. In dem Landesjugendhilfeausschuss soll es jetzt einen konkreten Vorschlag geben, der von uns wieder fair verhandelt wird.
Es ist wichtig anzumerken, dass der Anstoß für den Bundesverband ein neues, leistungsgerechtes Modell zu entwerfen auch von dem Landesverband Baden-Württemberg ausgegangen sei. Wir empfanden nämlich die bundesweite Entwicklung in der Kindertagespflege als hemmend für die Entwicklung in unserem Bundesland.

M. Kasprowsky:              
Das Modell sieht auch eine Vergütung bei Urlaub und Krankheit vor. Die Rede ist von 30 Tagen Urlaub und ca. 9 Tagen krankheitsbedingtem Ausfall. Soll es in unserem Bundesland übernommen werden?

H. Pusch:           
Ja, wir gehen hier allerdings von 4 Wochen Ausfall des Kindes oder der Tagespflegeperson aus. In dieser Zeit soll die laufende Geldleistung weiter bezahlt werden. Unser oberstes Ziel ist es, dass die Tagespflege zum leistungsgerecht vergüteten Beruf wird. So, dass die verschiedene Sonderregelungen bezüglich der Versicherungen redundant werden. Das muss irgendwann am Ende der Reise zur Professionalität stehen.

M. Kasprowsky:              
Professionalität bedeutet auch gut ausgebildete Tagespflegepersonen, und das  wiederum setzt ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Angebot an Aus-, und Weiterbildungen vor. Gegenwärtig lässt auch hier einiges zum Wünschen übrig. Wird es auch bezüglich der Qualifizierung Änderungen geben?

H. Pusch:           
Auf einem Fachtag im Mai haben wir eben diese Themen diskutiert. Wir alle teilen die Einstellung, dass wir ein neues Qualifizierungskonzept für die Kindertagespflege in Baden-Württemberg brauchen. Der Landesverband erarbeitet zurzeit ein Positionspapier wie diese Qualifizierung aussehen muss, damit die Kindertagespflege weiter professionalisiert und zukunftsorientierter wird.  Wir haben vor dieses am Ende des Jahres zu verabschieden. Wir wollen dann einen baden-württembergischen Weg gehen.  Das heißt, dass wir nicht einfach die sogenannte QHB übernehmen, sondern dass wir schon den kompetenzorientierten Einsatz einbringen, allerdings von den Inhalten wird sich etwas ändern. Ein wichtiger Punkt ist dabei das Selbstlernen und das passgenaue Lernen, das Menschen mit unterschiedlichen Bildungsbiographien einbezieht. Die Methode muss zulassen, dass eine Gruppe gemeinsam lernt, aber trotzdem jeder seinen individuellen Nutzen daraus zieht. Dieses Konzept wird allerdings frühestens 2018 umgesetzt.

M. Kasprowsky:              
Laut Gesetz sollen  Kindertagespflege und Kita gleichberechtigte Formen der Kinderbetreuung  sein. Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Vielerorts werden die Eltern gewissermaßen gezwungen ihre sowohl überdreijährigen wie auch immer öfters die unterdreijährigen Kinder in einer Kita anzumelden. Was wird unternommen um die Gleichberechtigung sicher zu stellen und  wie können sich die betroffenen Eltern gegen solche Vorgehensweise wehren?

H. Pusch:           
Wir haben schon mit den Kita- Trägern und den zuständigen Stellen darüber gesprochen.  Sie haben sich bereit erklärt in Einzelnem auch Gespräche zu führen. Wir erwarten von den Beratungsstellen, dass beides gleichwertig vermittelt wird. Es ist aber nun mal so: Von Oben wird es anders kommuniziert, aber was in der Praxis dann läuft, ist unheimlich schwer in den Griff zu kriegen. Was Eltern dann in solchen Fällen bleibt, ist ihren Rechtsanspruch geltend zu machen.
Wir, als der Landesverband machen nicht nur diese Verhandlung über rechtliche Ausgestaltung, sondern wir sehen uns verpflichtet das Image der Kindertagespflegepersonen zu verbessern und die rechtlichen Informationen über die Tagespflege auch den Eltern zugänglich zu machen.

M.Kasprowsky:               
Das andere Problem in diesem Zusammenhang sind die Kosten, die die Eltern tragen müssen. Die Tagespflege der Überdreijährigen ist unverhältnismäßig teurer als die, der Unterdreijährigen.  Wieso gleicht man diese Elternbeiträge nicht der Kita an?

H. Pusch:           
Es gibt eine landesweite Empfehlung die die Elternbeiträge harmonisiert, also entsprechend anpasst. Die großen Unterschiede ergeben sich, weil die Landesmittel, die die Eltern für ihre unterdreijährigen Kindern bekommen, wegfallen. Wir lobbyieren gerade beim Land wegen der Landesmittel  und haben bereits einen Brief an den neuen Staatssekretär  im Kultusministerium geschrieben in dem wir uns dafür einsetzen, dass auch die Überdreijährigen diese FAG- Mittel bekommen. Das würde die Lage entschärfen. Auch dieses Problem hat der Landesverband auf dem Schirm und das ist auch ein Teil unserer politischen Interessenvertretung.                         

 

M. Kasprowsky:

                              Ich bedanke mich rechtherzlich für dieses sehr informative Gespräch und wünsche dem Landesverband viel Erfolg bei der                                 Vertretung der Interessen der Kindertagespflegepersonen.

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Interview mit Frau Christa Heilemann, Dezernentin für Jugend und Soziales beim Landkreistag Baden- Württemberg

Interview mit Frau Christa Heilemann, Dezernentin für Jugend und

Soziales

beim Landkreistag Baden-Württemberg

 

 

M. Kasprowsky:

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Landesverband für die Kindertagespflege und dem Landkreistag?

 

C. Heilemann:

Die Zusammenarbeit gestaltet sich positiv. Beide Verbände wirken in der vom Landesjugendhilfeausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Kindertagespflege mit und haben darüber hinaus weitere formelle und informelle Kontakte.

 

M. Kasprowsky:

Welche Aufgaben erfüllt der Landkreistag in Bezug auf die Ausgestaltung der Kindertagespflege?

 

C. Heilemann:

Der Landkreistag spricht gemeinsam mit dem Städtetag und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Empfehlungen zu den Rahmenbedingungen der Kindertagespflege gegenüber den Stadt- und Landkreisen und Städten mit eigenem Jugendamt aus. Bezüglich der laufenden Geldleistung besteht hierfür eine Rechtsgrundlage in

§ 8 b Kindertagesbetreuungsgesetz (KitaG).

 

M. Kasprowsky:

Welches Gewicht hat der Landkreistag bei der Erarbeitung, der Durchsetzung und der Einhaltung der Empfehlungen durch die Landkreise und die örtlichen Jugendhilfeträger?

 

C. Heilemann:

Wie oben beschrieben werden die Empfehlungen gemeinsam erarbeitet. Sie erhalten durch Beschlussfassung in den Gremien des Landkreistags und der anderen kommunalen Verbände ein hohes Gewicht für die Landkreise und Städte. In ihrer Ausgestaltung vor Ort sind die Landkreise frei und können sich im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung bewegen.

 

M. Kasprowsky:

Welche anderen politischen Institutionen und Organisationen und in welchem Maße nehmen Einfluss  auf die Gestaltung der Kindertagespflege (bundes-, und landesweit)?

 

C. Heilemann:

Das Kultusministerium wirkt in seiner Eigenschaft als oberste Landesjugendbehörde in der vom

Landesjugendhilfeausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe mit. Dem Land kommt eine zentrale Bedeutung auch insoweit zu, als es gegenüber den örtlichen Jugendhilfeträgern zur Konnexität im Sinne von Artikel 71 Abs. 3 der Landesverfassung verpflichtet ist.

 

Im Koalitionsvertrag wurde zur Kindertagespflege festgelegt, dass die finanziellen und beruflichen Rahmenbedingungen für Tagespflegepersonen verbessert und geprüft werden sollen. Welchen Beitrag das Land dazu leistet ist bisher offen.

 

 M. Kasprowsky:

Zwar ist aufgrund der föderalen Ordnung der Bundesrepublik ein bundesweit praktiziertes einheitliches Modell z. Zt. praktisch nicht durchsetzbar, aber wäre es nicht möglich und sinnvoll ein einheitliches Modell innerhalb des Bundeslandes zu schaffen?

 

C. Heilemann:

Ein einheitliches Modell hätte Vor- und Nachteile. Vorteil wäre eine einheitliche Regelung für das ganze Land, die, wenn gesetzlich abgesichert, auch den oben beschriebenen Konnexitätsanspruch für alle finanziellen Folgen auslösen würde. Nachteil wäre, dass es damit nur ein einheitliches, starres Modell gäbe, das nicht auf  die örtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden könnte. Die Weiterentwicklung geschieht in aller Regel vor Ort und lässt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung auch neue Wege zu. Neben den Landkreisen engagieren sich auch die kreisangehörigen Gemeinden in erheblichem Umfang für die Kindertagespflege. Bei einem einheitlichen Modell bestünde die Gefahr, dass dieses Engagement zurückgefahren würde.

 

M. Kasprowsky:

Wie können die Eltern ihr Wahlrecht durchsetzen?

 

C. Heilemann:

Den Eltern steht das Wahlrecht zwischen einer Kindertageseinrichtung und einer Kindertagespflege bis zum 3. Lebensjahr ihres Kindes zu. Danach besteht der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Lediglich bei besonderem Bedarf oder ergänzend kommt die Kindertagespflege daneben oder alternativ in Betracht

 

M. Kasprowsky:

Wessen Hilfe können sie in Anspruch nehmen?

 

C. Heilemann:

Eltern können ihren Rechtsanspruch unmittelbar gegenüber den öffentlichen Jugendhilfeträgern geltend machen. Es steht ihnen frei, dabei anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen.

Unabhängig davon haben sowohl Erziehungsberechtigte als auch Tagespflegepersonen einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung in allen Fragen der Kindertagespflege, der sich an den öffentlichen Jugendhilfeträger richtet.

 

M. Kasprowsky:

Was können die Tagespflegepersonen in solchen Fällen unternehmen?

 

C. Heilemann:

Tagespflegepersonen stehen in einer eigenen Rechtsbeziehung zum öffentlichen Jugendhilfeträger. Sie erhalten die laufende Geldleistung nach § 23 SGB VIII unmittelbar vom öffentlichen Jugendhilfeträger.

 

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