Interview mit Herrn Heiko Krause, dem Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege.

 

M. Kasprowsky:

Die Kindertagespflege bietet bundesweit ein recht uneinheitliches und unüberschaubares Bild. Die letztliche Verantwortung und das endgültige Entscheidungsrecht werden den örtlichen Jugendhilfeträgern überlassen, die, meiner Meinung nach, der Aufgabe nicht immer gewachsen sind.  Es scheint fast so, als ob keine Instanz auf der Bundesebene, die alleinige bzw. die Hauptverantwortung für die Kindertagespflege übernehmen wolle.

Wieso überlässt man den Jugendämtern die alleinige Entscheidungsfreiheit zur Ausgestaltung der Tagespflege und der Vergütung, ohne ihre Beschlüsse regelmäßig zu prüfen?

H. Krause:

Weil laut Grundgesetz die Ausgestaltung der Kindertagespflege im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer liegt, die sie dann weiter an die jeweiligen Kommunen und  örtlichen Jugendhilfeträger geben. Ich bin auch nicht immer begeistert davon, wir haben uns z.B. für ein Bundesqualitätsgesetz ausgesprochen. Die Zuständigkeitsregelung  kann man gut oder schlecht finden, aber das ist nun mal die föderale Ordnung der Bundesrepublik. Und es ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Jahren eine Mehrheit dafür zustande käme, es auf der Bundesebene einheitlich zu regeln.

M. Kasprowsky:

Wie ich erfahren habe, ist das neue Modell für die Ausgestaltung der laufenden Geldleistungen, das eben dieser Problematik entgegenwirkt, und für Transparenz, Homogenität und Leistungsgerechte Vergütung sorgen würde, bereits fertig erarbeitet.
Wann wird es den Bundesländern vorgestellt werden?

H. Krause:

Es ist bereits in zwei Länderkonferenzen vorgestellt und auch in der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes am 29./30. April diesen Jahres verabschiedet worden.

M. Kasprowsky:

Wann haben die Kindertagespflegepersonen mit den Auswirkungen dieses neuen Modells zu rechnen?

H. Krause:

Nur weil wir ein Modell entwickeln und als Bundesverband beschließen, hat dies noch keinerlei Auswirkung auf das, was die Jugendämter tun. Wir sind keine Institution, die etwas verordnen könnte. Unsere Aufgabe ist jetzt, für dieses Modell zu werben. Wir sind zurzeit dabei, den Beschluss in eine Broschüre umzusetzen. Dazu wird es dann einen Flyer geben, der das Modell einfach erklärt. Im Anschluss folgen typische Fragen, wie sie bei unterschiedlichen Interessengruppen, wie den  Kommunen, den Tagespflegepersonen,  den Jugendämtern oder den Eltern auftreten. Erst danach kommt es auf die Homepage und wird an die Jugendämter verschickt. Das hat aber nicht sofort eine Auswirkung. Wir haben keine Möglichkeit, ein Jugendamt dazu zu zwingen, dieses Modell anzuwenden.

M. Kasprowsky:

Also bleibt alles beim Alten und die Entscheidungsfreiheit wird den Jugendämtern überlassen?

H. Krause:

Was heißt überlassen? Laut Grundgesetz ist die Verteilung nun mal so, dass die Jugendämter für die Satzungen und für die Vergütung verantwortlich sind.
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können natürlich, und das würde uns sehr freuen, dieses Modell anwenden. Dafür werben wir.

M. Kasprowsky:

Glauben Sie, dass es irgendwann in der absehbaren Zukunft ein bundesweit praktizierendes einheitliches Modell geben wird?

H. Krause:

Ich glaube, dass es das innerhalb der nächsten zehn Jahren nicht geben wird. Das finde ich auch nicht tragisch, denn es gibt ja durchaus regionale Unterschiede. Dazu gehören z.B. Miet-, und Unterhaltungskosten oder die Zahl der gesetzlichen Feiertage.  Insoweit ist eine völlig einheitliche Finanzierung der Förderung der laufenden Geldleistung und der Sachkosten meiner Meinung nach, zurzeit nicht möglich. Die Frage ist vielmehr, wie verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Tagespflegepersonen insgesamt. Ein Teil unseres Modells ist, uns erstmal zu verdeutlichen, welche Tätigkeitsmerkmale eine Tagespflegeperson ausübt, die bis jetzt überhaupt nicht vergütet werden. Da gibt es z.B. die Elterngespräche, die Dokumentation, die Vor-, und Nacharbeit. Wir nennen das die „mittelbare“ Arbeit am Kind. Die müssten eigentlich, so wie das auch bei Erzieher/innen der Fall ist, als Teil des Gehaltes  mitberechnet und vergütet werden. Wir müssen endlich von der Intransparenz der Berechnung wegkommen. Wir sehen in Gerichtsurteilen der letzten Jahre, das Tagespflegepersonen gegen die laufende Geldleistung oder die Sachkostenpauschale geklagt und häufig Recht bekommen haben, weil die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht nachweisen konnten, auf welcher Basis die Berechnung erfolgte. Deswegen brauchen wir klare Berechnungsgrundlagen, die zwar in einzelnem voneinander abweichen können, aber transparent und vergleichbar sein müssen. Und das sind Elemente des neuen Modells. Insofern wäre ich schon froh, wenn sich die Kommunen darauf einlassen würden, mit unserem Modell einmal zu arbeiten und es auf die regionalen, durchaus unterschiedlichen Bedürfnisse anzuwenden.

M. Kasprowsky:

Das andere, oft beklagte Problem liegt in der Ungleichbehandlung der Kindertagespflege und der  KiTa. Obwohl die beiden Betreuungsformen  gesetzlich als gleichberechtigt anzusehen sind, sieht die Realität oft anders aus. Die Eltern werden nicht selten praktisch gezwungen, ihre Kinder in die KiTa zu geben. Und das mittlerweile sowohl im Ü3 wie auch im U3 Bereich.
Was wird getan, um dieser Situation entgegen zu wirken und wie können sich die betroffenen Eltern dagegen wehren?

H. Krause:

Das Bild ist auch hier sehr unterschiedlich. Es gibt Kommunen  in denen die Kindertagespflege und die KiTa gleichberechtigt angesehen und vermittelt werden. Es gibt aber auch die Fälle, die sie schildern. Wir müssen die Eltern im Hinblick auf ihr Wunsch- und Wahlrecht sensibilisieren und sie ermutigen, von diesem Gebrauch zu machen.  Wenn die Eltern der Meinung sind, dass die Kindertagespflege für ihr Kind das bessere Modell ist, dann müssen sie selbstbewusst und souverän auftreten und ihr Recht verteidigen.

M. Kasprowsky:

Auch die Tagespflegepersonen haben nicht selten mit Ungerechtigkeiten und unfairer Behandlung, z.B. seitens der öffentlichen Jugendhilfeträger, zu tun. Wie können sie sich und ihr Recht verteidigen?

H. Krause:

Zum Ersten ist es immer sinnvoll, sich selbst zu organisieren und z.B. einen Verein zu gründen. Vereinsarbeit ist zwar anstrengend und erfordert einige Kenntnisse, die man sich oft selbst in Gesprächen mit Anwälten, Steuerberatern, Fachkollegen oder Experten aus den verschiedenen Bereichen der Tagespflege aneignen muss, aber sie erreichen damit mehr Ansehen und ihre Stimme mehr Gewicht. Wichtig ist es, sich regelmäßig zu informieren, denn neue gesetzliche Regelungen erreichen nicht sofort die Fachberatungsstellen. Oft reicht es dann, mit einem Brief auf die Rechtslage hinzuweisen.
In manchen Bundesländern, so auch in Baden-Württemberg, gibt es sehr starke Landesverbände, die den Kindertagespflegepersonen zur Seite stehen. Leider gibt es noch viele Regionen und Städte, in denen solche Unterstützung fehlt.
Auch wir im Bundesverband versuchen, solche Vereine zu unterstützen, in dem wir unter anderem Schulungen zu Steuerrecht, Satzungsrecht oder Rhetorik anbieten.
Die allerletzte Möglichkeit, sich zu Wehr zu setzen, wäre dann der Weg vor Gericht.
Grundsätzlich ist aber zu betonen, dass wir uns immer um gute Zusammenarbeit zwischen der Fachberatung und den Tagespflegepersonen bemühen sollen. Nur so können wir die Deckung des Bedarfs und eine qualitativ hochwertige Kindertagespflege gewährleisten.
Wir müssen unbedingt davon wegkommen, den anderen als Konkurrenten anzusehen!

M. Kasprowsky:                                

                        Ich bedanke mich für das sehr interessante und informative Gespräch und hoffe, dass vieles aus dem neuen Modell zum                                     Wohle der Kindertagespflegepersonen, der Kinder und der Eltern in ganz Deutschland, in die Praxis umgesetzt wird.

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